veröffentlicht 02.10.2023, Dekanat Worms-Wonnegau
Am Internationalen Frauentag dieses Jahres gab es eine vom Beirat für Migration und Integration (BMI) organisierte Veranstaltung, in der es um „Gesichter und Geschichten der Migration“ ging. Damals war das Interesse so groß, dass der BMI um die Vorsitzende Sumera Nizami-Jeckel sich entschloss, auch in der Interkulturellen Woche ein solches Angebot zu machen.
Vorgesehen war, dass möglichst viele Mitglieder des BMI ihr Gesicht zeigen und erzählen sollten, wie sie nach Worms kamen, auch um den Beirat noch bekannter zu machen. Letzten Endes waren es aber nur vier Personen, die sich bereitfanden. Diese vier Personen hatten aber so viel Wesentliches zu sagen, dass die zwei Stunden im Lesesaal der Stadtbibliothek wie im Flug vergingen.
Fatima und Sohrab sind aus ihren Heimatländern, Syrien und Afghanistan geflohen, weil ihr Leben in Gefahr war. Obwohl Fatima mit ihrem Mann und ihren vier Töchtern nun schon acht Jahre in Deutschland lebt und hofft, dass sie auch auf Dauer bleiben kann, waren die Erinnerungen an die Flucht über den Libanon, Griechenland und die Türkei noch übermächtig gegenwärtig. Drei Monate lang war die Familie unterwegs, versuchte allein dreimal vergeblich über den Landweg nach Europa zu kommen, dann mit Schleusern über das Meer. Beinahe erlitten sie Schiffbruch, wurden im letzten Moment gerettet, standen unendliche Ängste aus. „Wir sind sehr glücklich hier“, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Ob ihre Kinder durch diese Flucht nicht traumatisiert seien, wurde sie gefragt. „Wir haben so getan, als wäre es eine Abenteuerreise, bei der sie Aufgaben zu bestehen hatten“, erzählt sie. Heute sind ihre Kinder gute Schülerinnen, sie selbst ist ehrenamtlich im BMI und im Seniorenheim der AWO tätig.
Sohrab Arash Ransur, der seit 2015 im BMI mitarbeitet und Flüchtlingen als Dolmetscher hilft, schickt seiner Fluchtgeschichte eine geradezu poetische Schilderung seines schönen Heimatlandes voraus. Doch es ist ein Land der Tränen. Das Wort Frieden sei den Menschen nicht geläufig, Friede sei ein Traum, der niemals wahr werde. Der Tod sei allgegenwärtig. Seine Flucht erstreckte sich ebenfalls über einen längeren Zeitraum. Als 16-Jähriger kam er in Deutschland an, kannte keinen Menschen, verstand die Sprache nicht. Oft habe er geweint, sagt er. Anfangs durfte er nicht arbeiten, hatte kein Geld für die Schule und hielt sich als Reinigungskraft über Wasser. Nachdem er erfolgreich eine entsprechende Ausbildung absolviert hatte, ist er seit 2021 als Netzwerkinformatiker im Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim tätig und verheiratet. Doch sein Gesicht ist überschattet vom Schmerz über die Trennung von Mutter und Bruder.
Wadad Landua ist in einer christlichen Familie im Libanon aufgewachsen. „Es war immer Krieg“, erzählt sie. „In jedem Jahr ist deswegen die Schule für zwei Monate ausgefallen.“ Als sie ihren Bruder in Paris besuchte, lernte sie den Wormser Markus Landua kennen. Seit 28 Jahren lebt sie nun in Deutschland. Mit sehr viel Humor berichtete sie, wie sie Deutsch lernte, sich über YouTube in Buchhaltung einarbeitete und 12 Jahre lang als Buchhalterin tätig war. Von nichts und niemand ließ sie von ihrem Weg abhalten. Seit 2015 steht sie Geflüchteten als Dolmetscherin zur Seite und ist seit 2016 beim ASB in der Flüchtlingsbetreuung angestellt.
Sumera Nizami-Jeckel, seit 2015 Vorsitzende des BMI, ist in einer liberalen pakistanischen Familie aufgewachsen und wollte Diplomatin werden. Sie war sogar auf dem besten Weg dahin, als sie sich in einen deutschen Mann verliebte. Sie musste für ihr Glück kämpfen. „Heute ist er meines Vaters Lieblingsschwiegersohn“, lächelte sie. Seit 1995 arbeitet sie in Worms als Englisch-Dozentin. Ihr wichtigstes Anliegen ist der Abbau von Vorurteilen durch Begegnung. „Es hört sich an wie ein Klischee, wenn ich sage: Alle Menschen sind gleich, aber ich habe immer wieder erlebt, dass dies die Wahrheit ist.“